Fact Sheet zur geplanten A33-Nord Stand 01/2023 Vorbemerkung: Angesichts der wichtigen und richtigen Debatte um beschleunigte Genehmigungsverfahren für den Ausbau Erneuerbarer Energien versucht das Bundesverkehrsministerium aktuell auch die Beschleunigung von Straßenneubauprojekten aus dem Bundesverkehrswegeplan (BVWP) ebenso mitzuregeln. Eine solche pauschale Beschleunigung und zeitnahe Initiierung von Autobahnstraßenneubaumaßnahmen steht aber der eigentlichen Zielsetzung beschleunigter Genehmigungsverfahren bei Erneuerbaren Energien entgehen, da diese die CO2 Produktion verringern sollen, während Straßenneubauten für eine Erhöhung sorgen. Vor dem Hintergrund des Krieges in der Ukraine, der zu einem sehr starken Anstieg von Bau – und Energiekosten geführt hat, ist auch aus finanzieller Sicht die Notwendigkeit gegeben, vorrangig die im Koalitionsvertrag festgelegten Maßnahmen (Ausbau des Schienenverkehrs, Sanierungsstau der Straßen und Brücken angehen) mit allen vorhandenen Kapazitäten in Angriff zu nehmen. Neben dieser grundsätzlichen Fragestellung zum Sinn und Zweck von Straßenneubauten gibt es für den geplante Neubau der BAB 33 nördlich von Osnabrück zahlreiche weitere gravierende Gründe, warum dieses Projekt weder im beschleunigten noch in standardisierten Verfahren weiter geführt werden sollte.Dazu möchte wir einige (nicht abschließenden) Fakten und Aspekte darlegen: Zum Planfeststellungsverfahren: Das für die Trasse angedachte Gebiet wird im Landesraumordnungsprogramm (LROP) als „Vorranggebiet Autobahn“ ausgewiesen, befindet sich aber im Konflikt mit weiteren Vorranggebieten (Natura 2000, Biotopverbund, Trinkwassergewinnung, Rohstoffgewinnung) Eine abschließende fachliche Beurteilung insbesondere in den Bereichen des Natur- und Artenschutzes, des Gewässerschutzes und des Trinkwasserschutzes ist anhand der vorgelegten Planung nicht möglich, da mehrere Aussagen nicht überprüfbar, nicht nachvollziehbar und widersprüchlich sind. Gutachten sind teilweise stark veraltet. Trinkwasser/Wasserschutz: bei gleichbleibender Witterung und unverändertem Klima droht ab 2030 Wasserknappheit im Landkreis Osnabrück (vgl. Landkreis Osnabrück, 2022)1. Dem Trinkwassergebiet in Belm, welches durch den Autobahnneubau A33-Nord zentral betroffen wäre, kommt daher eine besondere Bedeutung zu, da mit einer dramatischen Gefährdung der Trinkwasserversorgung zu rechnen wäre die mit dem Bau verbundenen notwendigen Wasserhaltungsmaßnahmen und Grundwasserabsenkungen verschärfen die Situation zusätzlich aus Sicht der Daseinsvorsorge und des Naturschutzes ist es nicht verantwortbar, die Prüfung der wasserrechtlichen Tatbestände – wie derzeit geplant – erst im Rahmen der Ausführungsplanungen durchzuführen zur Sicherung des Trinkwassers muss bereits jetzt dezidiert Vorsorge getroffen werden. Zusätzliche Maßnahmen, die aufgrund des Autobahnneubaus erfolgen müssen, müssten zeitnah geplant und errichtet, ebenso müssen Mehrkosten kalkuliert und vorgehalten werden. Daher ist eine erneute Beteiligung mit vollständigen und prüffähigen Unterlagen zwingend erforderlich, um die Sicherstellung der Region mit Trinkwasser nicht zu gefährden. eine fundierte Auseinandersetzung mit den einschlägigen Schutzbestimmungen und den gesetzlichen Anforderungen hinsichtlich der Wasserschutzgebietsverordnung fand bislang nicht statt, ebenso ist die Einhaltung der Wasserrahmenrichtline (WRRL) nicht sichergestellt. 1 Zukunftskonzept Wasserversorgung: https://www.landkreis-osnabrueck.de/fachthemen/umwelt/wasserversorgung Natur – und Artenschutz: Naturschutzbelange wurden in den Planungen vielfach nicht berücksichtigt, so fehlt etwa eine Bewertung der Auswirkungen der Trasse auf die Lebensraumtypen (LRT). Biotoptypenkartierung, sowie Eingriffs- und Ausgleichsbilanzierung sind lücken- und fehlerhaft, nicht nachvollziehbar und wurden nicht hinsichtlich möglicher artenschutzrechtlicher oder FFH-Konflikte geprüft. Trotz mangelnder Kartierungen wurden 92 Vogelarten im Gutachten für die Planungen dokumentiert, darunter Bekassine, Flussregenpfeifer, Mittelspecht, Steinkauz und Rebhuhn, es gibt Vorkommen von verschiedenen Fledermausarten, darunter Großes Mausohr, Bechsteinfledermaus, Teichfledermaus, Reptilien wie Waldeidechse und Blindschleiche, Amphibien wie Erdkröte, verschiedene Molche wie Kammmolch und Bergmolch, 25 Libellenarten, Käfer wie der Hirschkäfer. Flora und Fauna der Gewässer wurden kaum beachtet, so auch vorhandene Fische und Muscheln, Tagfalter und Heuschrecken sowie die Sumpfschrecke. Notwendige Varianten- und Alternativbetrachtungen sowie Ausgleichmaßnahmen wurden nicht in ausreichender Form einbezogen. Die Durchschneidung des Natur- und Geoparks „UNESCO Global Geopark TERRA-VITA“ widerspricht den Vorgaben des Bundesnaturschutzgesetzes § 27, nach dem Naturparke einheitlich und zu entwickeln und zu pflegen sind. Tourismus: Das Osnabrücker Land versteht sich als touristische Region. Über 80 Wander- und über 60 Radwege sind mit mehreren Mio. Investitions- und Fördergeldern gut ausgebaut und beschildert. 2019 führten 24 Mio. Tagesgäste und 3,5 Mio. Übernachtungsgäste zu einem Bruttoumsatz von über 1 Mrd. €. Da Osnabrück die einzige Großstadt in einem Natur- und Geopark ist, bietet die Region zudem reizvolle Übergangsbereiche zwischen kulturellem Leben in der Stadt und der grünen hügeligen Weite des Landkreises Osnabrück. Der geplante Neubau der A33-Nord mindert den Erholungswert der Region. Zwei Fernwanderwege, der „Hünenweg“ nach Groningen und der „Hermannsweg“ zur Porta Westfalica sind ebenso von der geplanten Trasse betroffen wie die beiden Wanderwege „Diva Walk“ und „Mühlenweg“, die Regionalgrenzen überschreiten und von zunehmender überregionaler Erholungsbedeutung sind. Verkehr: Die geplante A33 Nord wird oftmals als notwendiger „Lückenschluss“ zwischen der A44 (Ruhrgebiet-Kassel) zur A1 nördlich von Osnabrück bezeichnet. Tatsächlich ist ein solcher Lückenschluss zur A1 über die A30 und das Lotter Kreuz wenige Kilometer weiter südlich bereits gegeben. Der zeitliche Vorteil, der durch eine weitere nördliche Verbindung erreicht werden könnte, beläuft sich auf gerade einmal ca. 5 Min. Aktuelle Verkehrsuntersuchungen (Zählung 2021 / Verkehrsbarometer 2022 / Analyse Prof. Dr. Jürgen Deiters) zeigen, dass die bislang temporär auftretende Überlastung der A 30 nicht durch den Fernverkehr, sondern durch den Stadt- und Regionalverkehr verursacht ist. Anders als in den Prognosen, die als Grundlage für den bisherigen BVWP 2030, die ein Wachstum des Verkehrs bis 2030 vorausgesagten, hat das Verkehrsaufkommen abgenommen. So stehen den prognostizierten 80.000 Kfz/24h auf der A1 zwischen Bramsche und Wallenhorst aktuell nur 55.900 Kfz/24h gegenüber. Danach ergibt sich für die Neubaustrecke nur noch eine Auslastung von 16.000 – 17.000 Kfz/24h und widerspricht damit den Richtlinien für die Anlage von Autobahnen (RRA), die eine Auslastung zwischen 20.000 – 70.000 Kfz/24h vorsehen. Die vom Lückenschluss A33 Süd erwartete Zunahme des Fernverkehrs um Osnabrück ist ausgeblieben. Die A1 nördlich des Lotter Kreuzes ist inzwischen 6-spurig ausgebaut, so dass die temporäre Überlastung der Verbindung A33 zur A1 über die A30 abgenommen hat. In diesem Streckenabschnitt dominieren Ziel- und Quellverkehre zwischen Stadt und Landkreis Osnabrück. Mehr als die Hälfte des Personenverkehrs beruht auf induziertem Verkehr aufgrund von besserer Erreichbarkeit, was früher als negativer Effekt in die Bewertung eingegangen wäre. der 6-spurige Ausbau der A30 ist als vordringlicher Bedarf vorgesehen; dem Kernanliegen des BVWP 2030, der Beseitigung von Engpässen auf Hauptachsen und wichtigen Verkehrsknoten dürfte damit ausreichend Rechnung getragen werden. innerstädtische Verkehrsprobleme der Stadt Osnabrück müssen und können über eine stadt- und landkreisintegrierte Stärkung des ÖPNV behoben werden. Die 60.000 bis 70.000 täglichen Pendler brauchen ein durchgängiges, zuverlässiges und zügiges ÖPNV- Angebot, welches eine echte Alternative zum Pendeln mit dem eigenen PKW darstellt. Der Anteil der Fahrten mit dem eigenen PKW ist im Landkreis Osnabrück mit 66% deutlich höher als in allen umliegenden Landkreisen, z.B. Emsland (61%), Steinfurt (57%) und erheblich höher als im Bundesdurchschnitt (50%). Hier liegt viel Potential, das nicht durch einen weiteren Autobahnbau behoben wird, sondern durch Investitionen in den ÖPNV. Wirtschaftlichkeit: Seit Beginn der Planungen wurde das Kosten-Nutzen-Verhältnis von 3,8 auf 2,0 gesenkt. Zahlreiche erwartbare Mehrkosten wurde dabei noch nicht eingerechnet. So sind Mehrkosten für FFH-Ausgleichsmaßnahmen, Denkmalschutzmaßnahmen (Grabungsgebiet Kalkriese/Varusschlacht) und auch Mehraufwendungen aufgrund der als „hoch“ eingestuften Umweltbetroffenheit noch nicht eingerechnet. Ebenso sind notwendige Mehraufwände, die aus wasserschutz-, naturschutz- umweltschutzrechtlicher Sicht notwendig wären, wenn den Schutzgütern angemessen Rechnung getragen werden soll, in den aktuellen Kalkulationen von 180 Mio. € (vormals 87 Mio €!) nicht enthalten. Für den Landkreis Osnabrück sind negative wirtschaftliche Auswirkungen bei einem Verzicht auf den Neubau der A33-Nord nicht zu erwarten, da die Zubringerverkehre zu überregionalen Straßen gewährleistet sind. Im Umfeld der zusätzlichen Autobahn könnten zwar durch die Erschließung neuer Gewerbe- und Industriegebiete neue wirtschaftliche Aktivitäten entstehen, diese würden allerdings einen weiteren erheblichen Eingriff in die Natur bedeuten und die Lebensqualität der Bürger vor Ort massiv beeinträchtigen. Hinzu kommt, dass die Arbeitsmarksituation, die bestehende Nachfrage und das verfügbare Angebot an Gewerbeflächen im Landkreis dieses in keinster Weise rechtfertigen. Regionale politische Diskussion: Der Kreistag des Landkreises Osnabrück hat im Jahr 2001 den Beschluss gefasst, darauf hinzuwirken, dass der Neubau der A33-Nord als Projekt mit vordringlichem Bedarf klassifiziert wird. Ob dieser über zwanzig Jahre alte Beschluss noch den neuen Herausforderungen unserer Zeit im Hinblick auf den Klimaschutz- und die Klimafolgen, aber auch der derzeitigen wirtschaftlichen Situation entspricht, ist fraglich. Die derzeitige SPD-Fraktion hat das Thema A33-Nord im letzten Jahr erneut in den Kreistag eingebracht, es dabei aber unterlassen, sich selbst zu positionieren. Während sich die FDP-Fraktion in den Debatten einstimmig und die CDU-Fraktion mehrheitlich für die Fortsetzung des Projektes ausgesprochen haben, hat die Fraktion der Grünen sich weiterhin eindeutig gegen die Planungen ausgesprochen. Für Niedersachsen plant die Autobahn GmbH des Bundes (AdB) aktuell vier Autobahnneubauprojekte (A20 – Küstenautobahn, A26, A33 Nord, A39). Aktuelle Befassungen im Landtag erfolgten nur zur A20, A26 und A39.